Rückkehr

Rückkehr nach Shutka

Nachdem Frau Carstens Reise zu Ostern erfolgreich verlaufen war und viele unserer Fragen beantwortet aber auch viele neue Fragen aufgeworfen hat, war es im Sommer Zeit sich wieder auf den Weg nach Shutka zu machen. 

Dieses Mal wieder in Begleitung eines Kamerateams und in Begleitung von Rebal. 

Hier gab es bereits im Vorfeld viele Schwierigkeiten. Rebal ist ein syrischer Flüchtling und dann fährt man scheinbar nicht mal eben so nach Mazedonien. 

Es braucht Vollmachten, Visa und zahlreiche andere Reiseunterlagen, die mitunter sehr schwer zu bekommen sind. Zum  Glück fanden Rebals Eltern die Idee ganz klasse und sind geduldig zu allen Terminen mitgekommen und haben das Vorhaben nach Kräften unterstützt.

Das wichtigste Dokument war natürlich erstmal ein Visum zu bekommen, das braucht man nämlich als Syrer, wenn man nach Mazedonien reisen möchte. Für ein Visum braucht man wiederum eine Vollmacht der Eltern und die übersetzten Geburtsurkunden  aller Beteiligten (allein dafür waren mehrere Termine beim Notar und Übersetzer nötig). 

In dieser Zeit haben Rebal und Frau Carstens viele neue Leute  kennengelernt und sind viel rumgekommen. Zum Glück hatten sie auch viele Unterstützer. Besonders den Arbeitskreis für Migration und Flüchtlinge und viele Spender aus Bremerhaven und umzu, die ihr Vorhaben unterstützten. 

Als alle Unterlagen für das Visum zusammen waren, brach Frau Carstens zunächst mal mit Rebal zur mazedonischen Botschaft in Berlin auf, um das Visum offiziell zu beantragen. Dort erklärte man die beiden zunächst mal für verrückt. 

Eine deutsch-britische Lehrerin, die mit einem syrischen Jungen nach Mazedonien will, und dort einen abgeschobenen Schüler im Slum besuchen möchte?

Eine deutsch-britische Lehrerin, die mit einem syrischen Jungen nach Mazedonien will, und dort einen abgeschobenen Schüler im Slum besuchen möchte - die Geschichte klang so abenteuerlich, dass sie zunächst mal keiner glaubte. 

In der Botschaft hatte man viele Fragen: Möchte Rebal dort Asyl, wo sind seine Eltern, hat Frau Carstens vor Zijush zu entführen, was meint der syrische Innenminister zu all dem und vieles mehr. 

Nachdem die Mitarbeiter der Botschaft endlich überzeugt von dem Anliegen und alle Papiere ausgefüllt waren, hieß es warten. 

Sehr lange warten. So lange, dass der Reisetermin zweimal verschoben werden musste. Auch in der Botschaft herrschte Funkstille. Erst als Frau Carstens ein paar Freunde in Mazedonien anrief und nachbohrte, kamen die Dinge in Bewegung und das lang  ersehnte Visum war endlich da. Wir hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben.

Nun hieß es also Koffer packen und dann konnte die Reise starten von Bremerhaven nach Skopje - im Gepäck der Klassenfuchs Watson und nun auch ein Wolf, denn dieses Mal waren sie ja zu zweit. 

Besonders nervös waren Rebal und Frau Carstens natürlich bei den Grenzübertritten und Passkontrollen. Was wenn doch irgendwas fehlte, etwas schiefging und man sie zurückschickte oder sie trennte? Bei Rebals Pass haben die Beamten sich sehr viel  Zeit genommen, sehr genau hingeguckt und viele Fragen gestellt. Es war aber alles vorschriftsmäßig. Sie durften passieren. 

Dann war es endlich geschafft, sie verließen in der Abenddämmerung den Flughafen von Skopje, wo Allegra mit einer  befreundeten Journalistin, Dörte, bereits auf sie wartete.

Zijush ahnte von alledem noch nichts. Er wusste, dass Frau  Carstens und Allegra zurückkehren würden, um ihn und seine Familie zu besuchen, Rebals Wunsch seine eigene Reise geheim zu halten und seinen besten Freund zu überraschen hatte sich aber bisher erfüllt. 

Am Tag nach der Ankunft wurden eifrig Pläne geschmiedet, wie man die Überraschung am besten gestalten könnte, bevor die kleine Reisegruppe dann nach Shutka aufbrach. 

Frau Carstens und Allegra gingen vor und begrüßten Familie Djeladin schon einmal, dann schickten sie Zijush mit dem Vorwand weg, etwas zu trinken zu kaufen.

Als Zijush die Straße herunterlief, sah er dann das erste Mal Rebal, der sich hinter ihrem Auto versteckte. Die Freude war riesengroß. 

Alle hatten sich erstmal eine Menge zu erzählen von der Reise, vom Leben in Mazedonien, von den politischen Ereignissen, von den Erlebnissen der letzten Monate, in denen man sich nicht gesehen hatte. Die beiden Jungen klebten aneinander, wie Magnete.

In den nächsten Tagen haben alle viel Zeit zusammen verbracht, Rebal Shutka und Skopje gezeigt, Filmaufnahmen und Interviews gedreht, um alles für uns in Deutschland festzuhalten. Die Lage der Familie in Shutka hatte sich sehr verschlechtert. Das hatte besonders mit der politischen Lage zu tun, die in Mazedonien immer unsicherer für Roma wird. Natürlich war eine Rückkehr nach Deutschland auch da immer wieder Thema, schien aber noch in weiter Ferne. Die gemeinsame Woche in Mazedonien ging rasend schnell rum und hat wohl bei allen bleibende Eindrücke hinterlassen. Für Frau Carstens war es besonders spannend die Reise mit Rebal zu machen und die Lage vor Ort durch seine Augen zu sehen.

Shutka fand er ziemlich hässlich - es erinnere ihn an Libyen, wo er eine Zeit lang gelebt hat, sagte er. Da Rebal sehr schlau ist, hat er aber bereits auf dieser Reise Dinge erkannt, für die die meisten Erwachsenen viel länger brauchen. 

Nach dem Besuch einer anderen sehr armen Familie in Shutka, die durch die Flucht und das Erdbeben im letzten Jahr alles verloren hatte, war Rebal sehr nachdenklich. 

Frau Carstens und er hatten die Familie zum ersten Mal getroffen, völlig Fremde also. Trotzdem hatten sie sich unheimlich ins Zeug gelegt, um ihre Gäste willkommen zu heißen, als wäre sie alte Bekannte - waren schnell losgerannt, um Getränke und Stühle von den Nachbarn zu besorgen und waren ganz überrascht, dass sie dort nicht übernachteten. 

„Mir ist aufgefallen, dass die Leute, die am wenigsten haben, das Meiste geben.“

Besonders Rebal hatten sie sehr ins Herz geschlossen, obwohl sie sich gar nicht miteinander verständigen konnten. Auf der Rückfahrt in die Herberge, war Rebal sehr ruhig, drehte sich schließlich zu Frau Carstens und sagte: „Frau Carstens, mir ist aufgefallen, dass die Leute, die am wenigsten haben, das Meiste geben. Die Frau hatte ja gar nichts und wollte alles mit uns teilen." 

Ein wahres Wort! Nachdem die gemeinsame Woche rum war, hieß es Abschied nehmen, wieder ein Abschied. Auch dieses Mal wieder mit Ungewissheit darüber, ob man sich wiedersieht, wo und wann. Aber auch Erleichterung darüber, dass die Reise geglückt war und auch wieder mit vielen Aufnahmen und Antworten für uns alle in Deutschland im Gepäck. Natürlich aber auch mit vielen neuen Fragen, Fragen darüber, wie es nun weitergeht. Fragen auf die wir gemeinsam eine Antwort finden müssen. 

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